Geschichtsverein und Stadtarchiv können die mittlerweile schon fünfzigste Folge dieser landesweit angesehenen Reihe präsentieren. Der 280-seitige Band bietet eine interessante Mischung aus stadtgeschichtlichen, kulturhistorischen, kunstwissenschaftlichen und biographischen Themen.

Unter dem Titel „Wegweiser zur Stadtgeschichte“ beschäftigt sich der Hauptbeitrag von Stadtarchiv-Mitarbeiter Gerald Kronberger mit der Historie der Reutlinger Straßennamen. Dabei handelt es sich nicht etwa um die Erläuterung sämtlicher Namen, sondern um eine vor dem Hintergrund der allgemeinen historischen Entwicklung der Stadt ausgebreitete Geschichte der Straßenkennzeichnungen – von den Anfängen der Gebäudelokalisierung in der Reichsstadtzeit über die verschiedenen Stationen der Regulierung im 19. Jahrhundert bis zu den Grundzügen der Straßenbenennung im 20. Jahrhundert im Zeichen sich rasant ausdehnender Wohn- und Gewerbegebiete. Angereichert mit vielen interessanten „Geschichten“ und Details bettet der Autor die jeweiligen Vorgänge in die größeren stadtgeschichtlichen Zusammenhänge ein.

Die Überlieferungen und Sagen im Reutlinger und Pfullinger Raum sowie ihre Rezeption bis in unsere Tage nimmt Klaus Graf, ein ausgewiesener Fachmann auf diesem Gebiet, in den Blick. Dabei kommt er nach seinem Streifzug durch die lokale Traditionsbildung von der frühen Neuzeit bis in die Gegenwart zu dem Ergebnis, dass selbst im Zeitalter moderner Medien und des Internet die alten Sagen und Mythen nach wie vor Konjunktur haben.

Weitere Beiträge widmen sich den Lebenswegen zweier Persönlichkeiten, die in mehr oder weniger enger Verbindung zu Reutlingen stehen. Der aus einer württembergischen Theologenfamilie stammende Pfarrer Christian Gottlob Erhard Bunz (1833–1888) hat eineinhalb Jahrzehnte lang als Seelsorger in Ohmenhausen gewirkt und dort nicht nur als Dorfgeistlicher und Wegbereiter einer großzügigen Kirchenerweiterung, sondern auch als landesweit geschätzter Literat, Kunsthistoriker und Wissenschaftler Spuren hinterlassen. 1886 verlieh man ihm in Anerkennung seiner Verdienste die Ehrenbürgerwürde.

Ungleich bekannter ist der Kunstgelehrte und Museumsleiter Otto Fischer (1886–1948). Der Spross einer alteingesessenen Reutlinger Kaufmannsfamilie war von 1921 bis 1927 Kustos der Staatlichen Kunstsammlungen in Stuttgart, der heutigen Staatsgalerie, und von 1927 bis 1938 Leiter der öffentlichen Kunstsammlung Basel. In beiden Museen war er der Erste, der systematisch die Kunst der Moderne erwarb und damit den Grundstock für die heute renommierten Sammlungsbereiche legte. In Basel zeichnete er außerdem für den bemerkenswerten Museumsneubau verantwortlich. Nikolaus Meier, Fischer-Kenner und langjähriger Bibliothekar am Basler Kunstmuseum, würdigt den Lebensweg und die Bedeutung des gebürtigen Reutlingers, dessen wissenschaftlicher Ruf auf seiner gründlichen Vertrautheit mit der altdeutschen Malerei, vor allem aber auf seinen Forschungen zur asiatischen Kunst beruht.

Der neue Band der Reutlinger Geschichtsblätter (NF Nr. 50; 2011), der von Stadtarchiv und Geschichtsverein unter der Schriftleitung von Dr. Heinz Alfred Gemeinhardt herausgegeben wurde, hat 280 Seiten und 124 Abbildungen, davon 28 in Farbe. Er ist im Stadtarchiv und im Buchhandel zum Preis von 23 Euro erhältlich.