„Menschen, Schicksale und Monumente“ ließe sich als Motto für den jetzt erschienenen Band der Reutlinger Geschichtsblätter finden, der Erträge der neueren Forschung zur Geschichte von Stadt und Region vom ausgehenden Mittelalter bis in das 20. Jahrhundert versammelt. Es ist die 51. Folge dieser landesweit angesehenen, von Geschichtsverein und Stadtarchiv gemeinsam herausgegebenen Reihe.

Am Beginn steht der Beitrag von Jörg Widmaier über die mittelalterliche Bronnweiler Marienkirche, die aufgrund ihres Alters und ihrer kunstgeschichtlichen Bedeutung seit jeher Aufmerksamkeit erregte. Der Tübinger Archäologe hat nun den Versuch einer umfassenden Deutung des mittelalterlichen Bauwerks unternommen. Sein Hauptaugenmerk legt der Verfasser auf Chor und Turm aus dem 15. Jahrhundert, deren Anlage und bemerkenswerte Ausstattung vor dem Hintergrund der Bemühungen Reutlingens um Selbstbehauptung gegenüber der benachbarten Grafschaft Württemberg eingeordnet wird.

Ein Schlaglicht auf die Strafrechtspflege im frühneuzeitlichen Württemberg wirft Hermann Taigel aus Pfullingen mit seinem Aufsatz über das Schicksal der Pfullinger Kindsmörderin Agnes Klingenstein 1692. Abgesehen von der räumlichen Nachbarschaft gibt es eine Reihe interessanter Bezüge zu Reutlingen, da damals etwa ein Teil der Ermittlungen durch reichsstädtische Amtleute erfolgte. Auch bei Marionela Wolf geht es um Einzelschicksale. In dem fundierten Beitrag zur Auswanderung protestantischer Württemberger nach Ost- und Südosteuropa während des 18. und 19. Jahrhunderts wird nach den Erwartungen und Erfahrungen der Auswanderer gefragt. Im Mittelpunkt steht die Auswertung von Auswandererbriefen, die sich in den sogenannten Pflegschaftsakten zahlreicher kommunaler Archive erhalten haben.

Aus einem 2010 gehaltenen Schiedwecken-Vortrag entstand der Beitrag Wolfgang Zimmermanns „Wie Fremde in einem fremden Land?“ über „Protestantische Reichsstädter und katholische Oberschwaben im Königreich Württemberg“. Zwei kleinere Arbeiten greifen schließlich kulturlandschaftliche Elemente der Region auf. Im Rahmen des 2012 abgeschlossenen Projektes Kleindenkmale beschäfitgt sich Klaus Hermann mit sogenannten „Schlüsselsteine“ auf den heutigen Gemarkungen Kirchentellinsfurt und Pliezhausen, bei denen es sich um spätmittelalterliche Markungsgrenzsteine handelt. Den reichen Tuffvorkommen des Wiesaztales und dem Unternehmergeist von Eugen Schwarz war es zu verdanken, dass im vergangenen Jahrhundert in Gönningen ein florierendes Tuffsteinwerk entstehen konnte, dem sich schließlich Margarethe Blank-Mathieu mit ihrem Beitrag widmet.

Der Jahresband der Reutlinger Geschichtsblätter 2012, der unter der Schriftleitung von Dr. Roland Deigendesch und Dr. Heinz Alfred Gemeinhardt durch das Stadtarchiv und den Reutlinger Geschichtsverein herausgegeben wurde, hat 296 Seiten und zahlreiche, teils farbige Abbildungen. Er ist beim Stadtarchiv und im örtlichen Buchhandel zum Preis von 23,00 Euro erhältlich.